Finale an der Kuhwiese
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- 10. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Aug.
Fakten
*internationaler Indikator des Fußballniveaus vergleichbar mit anderen Ligen
** Anzahl Spiele im laufenden Jahr / Anzahl Spiele insgesamt
Vorspiel
Die emotionalste Zeit des Fußballs neigt sich langsam aber sicher dem Ende entgegen. Aber ich war nochmal erfolgreich auf der Suche nach Tränen der Freude und des Schmerzes. Denn das Pokalendspiel des Bezirkes Braunschweig fand noch statt. Und „Klein gegen Groß" hat ja dann auch sowieso noch erstmal den richtigen Kick.
Die Heimelf mit dem klangvollen Namen Turn- und Sportverein Landolfshausen/Seulingen nennt sich selbst kurz und knapp TSV Laseu. Oder auch "Zwei Dörfer, ein Verein". Die Dörfer liegen 18 KM nordöstlich der Unistadt Göttingen. In der Musikszene ist Landolfshausen ein Begriff. Denn jährlich wird hier der "Champion der Blasmusik" ausgeblasen. Auf dem Weg zum Ground fuhren wir noch durch Seulingen und erfreuten uns an den schönen Fachwerkhäusern um die Kirche herum.
Kästorf liegt schlappe 150 KM nördlich von Laseu, quasi am entgegengesetzten Ende des Braunschweiger Fußball-Bezirkes, bei Gifhorn. Sehr geschätzt werden in Kästorf die diakonischen Betriebe, die sich mit ca. 200 Mitarbeitern unter anderem sehr erfolgreich um junge Menschen mit sozialen Schwierigkeiten kümmern.
Fußballerisch duellierten sich bei Vereine 10 Jahre lang in der Landesliga Braunschweig. Den Dorfklub machte das sehr stolz, denn wenn zum Beispiel Göttingen 05 oder die Zwote von Eintracht Braunschweig kamen, hatte das Volksfestcharakter. Nun mußten sie 2024 leider absteigen. Der angestrebte sofortige Wiederaufstieg wurde verfehlt.
Der SSV Kästorf ist so etwas wie Bayer Vizekusen es mal in der Bundesliga war. Sie wurden in den vergangenen Jahren bereits 4 mal Vizemeister, wie auch in dieser Saison wieder. Aber immerhin gewannen sie schonmal in 2018 den Bezirkspokal. Gelingt ihnen das heute als Trost wieder? Zumindest ihr wegen Krankheit zurückgetretener Ex-Trainer Scheilo war zu Gast und glaubte fest an seine alten Jungs.
Ground
Der Ground ist eher in schlicht gehalten. Es gibt einen Platz, und der ist aber immerhin ein Rasenplatz. Das Kassenhäuschen ist ein Tisch, welcher am Eingang steht. Geht so für die Kassierer, bei Regen. Links ist gleich das Funktionsgebäude. Eine Gaststätte sucht man jedoch vergeblich. Links davon ist ein kleiner Hang. Dort stehen, allerdings in gebührendem Abstand zum Platz, auch einige Bänke. Auf der gegenüberliegenden Seite wurden ebenfalls ein paar Bänke für heute platziert. Dort stehen auch eine Wurst- und eine Bierbude mit kleinem Zeltdach als Unterstand. Es gibt die übliche Bratwurst und Pommes, die von freundlichen und gut gelaunten Leuten verkauft werden. Extra fürs Finale gibt es sogar einen mit orangen Luftballons geschmückten Aperolstand. Den absoluten Höhepunkt findet ihr jedoch hinterm anderen Tor hinten: Dort liegt etwas erhöht und somit mit vortrefflicher Sicht auf den Ground, eine Kuhwiese. Knapp 10 Kühe mit zwei Kälbchen tummeln sich dort. Sie sind absolut tiefenentspannt und nichts kann sie aus der Ruhe bringen – herrlich!
Spiel
Das Spiel sollte mindestens halten, was es versprochen hatte. In der ersten Halbzeit lief es wie an sich als neutraler Zuschauer sich das vorstellt. Der Underdog spielte nicht nur gut mit, sondern war sogar überlegen. Und Laseu hatte auch mehrere klare Torchancen. Die größte war ein Elfmeter, den der Schiri auf Hinweis seines Linienrichters gab. Doch auch diese Chance wurde vergeigt. Ihr Ikone Ladushan Ravindran schoss gut, aber der überragende Keeper Tobias Bremer hielt bombastisch und lenkte die Pille an den Pfosten. Und dann knipste der Toptorjäger der Landesliga, Leander Petry (sage und schreibe 40 Tore), auch noch zum 0:1 souverän ein. Für die Dramaturgie bestens schoss der Dorfklub aber noch den Ausgleich. Danach verflachte das Spiel etwas. Bis zum Elfmeterschießen nochmal Dramatik pur aufkam. Hier versagten dem Bezirksligisten jedoch die Nerven. Wieder Leander Petry setzte sehr abgezockt zum 2:4 den Schlusspunkt. Der Favorit gewann etwas glücklich das Finale und ist dann im kommenden Pokaljahr selbst der Underdog gegen die niedersächsischen Oberligisten.
Stimmung
Es war ein richtiger Festtag im Eichsfeld. Man merkte, dass sich die Dörfler richtig dolle Mühe gaben, um dem regnerischen Wetter zu trotzen. Und richtig viele Besucher, nämlich 600, freuten sich auf diesen Höhepunkt. Davon kamen sogar 200 als Kästorf. An Kleinigkeiten merkt man, wie viel es beiden Vereinen bedeutete, heute hierzustehen. So durften die Spieler vom SSV sogar mit dem Bus der Wolfsburg-Grizzlys (Eishockey-Buli) anreisen. Und auch für die Fans wurde ein Bus gechartert. Die Gäste kamen dann auch noch alle in roten Pokaltrikots zum Spiel. Sie platzierten sich am erwähnten kleinen Hang neben der Aperolbude. Und sie machten richtig Alarm. Anfeuerungsgesänge vom Feinsten erfreuten Uschi und mich sehr. Die Heimfans zeigten ihre Vorfreude und Fantasie gleich beim Einlaufen der Teams. Rot-blaue Fahnen und etliche gleichfarbige Bengalos sorgten für Partystimmung. Während des Spieles kam dann deutlich mehr von den Gästen, und das trotz der Überlegenheit der Heimelf. Der Schlachtruf „Ohne Kästorf wär hier gar nichts los" hatte schon seine Berechtigung. Nach dem letzten Elfer brachen natürlich alle Dämme. Ach die Spieler des Pokalsiegers bekamen Sieger-Shirts und nach der feierlichen Pokalübergabe jubelten und posierten die Spieler mit ihren Fans gemeinsam, Sektduschen inklusive. Dass die Spieler und Fans der so starken Gastgeber entsprechend traurig und frustriert herumstanden, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden.
Fazit
Ein wenig Wasser muss ich aber doch in den heimischen Wein träufeln. Etwas hat uns ganz und gar nicht bei den Fans der Landolfshausen/Seulinger gefallen. Sie waren fast nur zu hören, wenn einem Kästorfer etwas misslang. Da wurde dann heftig geklatscht und gebrüllt. Hier kann man doch einiges von den Kästorfern lernen, die stattdessen die eigene Elf positiv anfeuerten. Das wurde dann im Elfmeterschießen noch mal krass deutlich. Bei jedem Kästorfer wurde laut gepfiffen. Als der eigene Spieler zum Punkt ging, war es dagegen leise. Unglaublich. Im Gegensatz dazu das Gästepublikum, das seine Schützen und seinen Torwart vehement mit Applaus und Rufen begleitete und sich auch fair gegenüber dem Gegner benahm. Nehmt euch da ein Beispiel dran, liebe Eichsfelder!
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