Im Stadion des Meuchelmörders
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- 30. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Sept.
Fakten
*internationaler Indikator des Fußballniveaus vergleichbar mit anderen Ligen
** Anzahl Spiele im laufenden Jahr / Anzahl Spiele insgesamt
Vorspiel
Heute sollte mein 10. Länderpunkt gemacht werden. Unser zweiwöchiger Belgienurlaub lag glücklicherweise am Ende der trostlosen Testspielzeit. Der 1. Spieltag der belgischen Renommierklasse, der Jupilier Pro League fand mitten drin statt. Und in Brügge, in der Nähe unseres derzeitigen Urlaubsortes, De Haan, sollte es sogar das Saisoneröffnungsspiel gegen den KRC Genk geben. Die Tickets konnte ich uns schon vorab aus Deutschland über die Seite der Brügger kaufen. Hat etwas gedauert, bis ich durchstieg, aber dann konnte ich sie glücklich und zufrieden ausdrucken. War auch höchste Eisenbahn, denn zwei Wochen vorher war schon fast alles weg. Obwohl es dann doch nicht ganz ausverkauft war.
Tagsüber schnackte ich noch mit meinem Kumpel Bernd und seiner Frau Petra. Die fragte mich sofort, ob ich den Film "Brügge sehen ... und sterben" kenne? Na klar doch! Und später sahen wir dann sogar noch das Hotel, wo der Film spielt. Es ist das Älteste im Ort und sieht wirklich cool aus. Bei Booking.com für 200 €/Nacht und was für den nächsten Besuch. Ansonsten ist die Stadt ein Traum. Du denkst, du spazierst durch ein mittelalterliches Museum. Genk kennen wir hingegen nicht. Es müffelt dort jedenfalls ordentlich, da dort der herzhafte Limburger Stinkekäse hergestellt wird. Lecker!
Brügge ist nur rund 40 KM von de Haan entfernt. Mit dem Auto also ca. 30 Minuten. Wir nahmen aber lieber die Öffentlichen. Was allerdings zur Folge hatte, dass wir hin 1 1/2 Stunden und zurück 2 Stunden brauchten. Was tut man nicht alles gegen den Klimawandel!
Der Club Brugge Koninklijke Voetbalvereniging, kurz FC Brügge ist mit 19 Titeln einer der besten Clubs in Belgien. Nur der RSC Anderlecht hat mehr. Zwischen diesen Clubs besteht eine tiefe Feindschaft. Dass beim Spiel der Kontrahenten 1984 in Brügge der Anderlechter Torwart mit einem Dartpfeil beworfen wurde, hat das Verhältnis nicht weiter verbessert!
Der KRC Genk kann weniger Erfolge vorweisen. Die Blau-Weißen werden wegen ihrer Farben "Die Schlümpfe" genannt. Ach ja, die Brügger nennt man "Die Bauern", wohl wegen des ländlichen Umfelds.
Ground
Von der Innenstadt fährt ein Bus zum Stadion in rund 10 Minuten. Die Zeit zurück verdreifachte sich allerdings durch permanentes Stop-and-Go. Wenn du ankommst, haut dich der Anblick des Jan-Breydel-Stadions nicht gerade um. Es wurde 1975 für 30.000 Zuschauer erbaut und hatte fast nur Stehplätze. Dann wichen diese nach und nach Sitzplätzen und schwups gab es nur noch 18.000 Plätze. Das war allerdings etwas dünne und so wurde das Stadion wieder pünktlich zur EM 2000 auf knapp 30.000 (Sitzplätze) ausgebaut. Damit ist das Stadion wieder das drittgrößte im Lande. Die vier Tribünen sind überdacht. Die Ecken teilweise offen und/oder unüberdacht. Wir hatten auch nur noch etwas auf einer unüberdachten Ecke fast ganz oben bekommen (30 €). Was ganz hart ist, sind die Sitzplätze an sich. Es sind so eine Art von weißen Beton- oder Steinschalen. Und sowas von eng nebeneinander und hintereinander habe ich das noch in keinem Stadion gesehen. Außerdem sind sie ganz schön angeranzt und abgewetzt. Es wirkt alles älter, als es ist. Die Sitze werden aber noch von etwas anderem in den Schatten gestellt. Und zwar vom Catering. Es gibt wenig Auswahl, aber immerhin die übliche Braadworst sowie Burger und Hot Dogs. Veggies müssen mit Pommes vorliebnehmen. Aber die sind ja dafür in Belgien klasse. Allerdings sollten wir nicht in den Genuss dieser kommen. Die nur drei Pommesbuden wurden so frequentiert, dass wir nach 15 Minuten Wartens entnervt gingen. Prognostizierte Wartezeit: 45 Minuten. Ich werde nie mehr über die Wartezeit im Braunschweiger Tempel schimpfen …
Alles in allem kein Tempel der Extraklasse!
Spiel
Das Spiel versprach so einiges. Und zwar gerade auch aus deutscher Sicht. So kennen die meisten den Bayern-Spieler Torsten Fink bestimmt noch, der nun Genk coacht. Und bei Brüssel machten U21-Nationalspieler Tresoldi und der Ex-HSVler Reis ihr erstes Spiel für Brügge. Und auch der Ex-Düsseldorfer Grieche Tsolis spielt hier.
Der Favorit wurde seiner Rolle jedoch von Beginn an nicht gerecht. Es lief noch nichts zusammen. Dagegen machte Genk ein feines Spiel. Sie kombinierten sich ballsicher nach vorne und wurde mehrfach blitzgefährlich. Außerdem gewann Genk fast alle Zweikämpfe. Das war nett anzusehen. Es spielte dem Gast natürlich in die Karten, dass ihr überragender Mann, der südkoranische Nationalstürmer, Oh, in der neunten Minuten zur Führung traf. In der zweiten Halbzeit ging es so weiter und dann fiel tatsächlich der Ausgleich. Genk blieb aber besser, vergeigte nur zu viele Chancen. Logisch, dass dann sogar noch der völlig unverdiente Siegtreffer für Brügge fiel. Da machte es auch nichts mehr, dass ihr Ordonez in der 93. Minuten wegen einer Notbremse vom Platz flog. Dafür feierten ihn seine Fans gut ab, weil er damit den Sieg rettete. Ach ja, die Deutschen zeigten nichts. Reis fand gar keine Bindung zu seinen Nebenleuten und wurde zur Halbzeit ausgewechselt und Tresoldi durfte nur 10 Minuten ran und brachte da nichts mehr. Tzolis war ok.
Stimmung
Die Stimmung war gut. Das muss ich aber erläutern. Gut, meine ich im Sinne von freundlich, entspannt, fair und so. Ich bin ja kein Freund der gewaltbereiten Ultras und die gab es hier glücklicherweise überhaupt nicht. Auch Dartpfeilwerfer habe ich nicht gesehen. Aber es überraschte mich schon ein wenig, dass vielleicht nur schlappe 100 Brügger hinterm Tor Fahnen schwenkten und verhalten ein paar Songs sangen. Tatsächlich brachte Genk da mehr Leute mit, vielleicht 200–300. Und die machten zum Spielbeginn sogar etwas Pyrofeuerwerk. Natürlich wurde es bei den Toren und guten Szenen laut aber einen dauerhaften Support gab's von beiden Seiten nicht. Das hatte ich anders erwartet. Witzig war es auch danach im Bus. Während in Braunschweig die Fahrt durch viele Oberproleten zum reinen Grauen wird, ist hier alles sehr gesittet. Als einer mal etwas laut wurde, entschuldigte er sich gleich. Unglaublich.
Fazit
Nun will ich aber endlich das Rätsel der Headline zum Mechelmörder auflösen. Hier handelt es sich nämlich um den Volkshelden der Stadt, Jan Breydel. Als die Stadt das Stadion Ende der 90er ausbauen wollte, war eine der Voraussetzungen sogar, dass es dann aber Jan-Breydel-Stadion heißen müsse. Ich finde das hart. Der Typ war nämlich am 18. Mai 1302 Rädelsführer der Brügger Frühmette. Erst hatten die Brügger die Franzosen um Hilfe gegen die Engländer gebeten, es ging da um den Wollhandel und die Belgier fühlten sich benachteiligt von den Tommies. Deshalb schickten die südlichen Nachbarn Garnisonen in die großen belgischen Städte, wie auch Brügge, um denen wie gewünscht gegen die Engländer zu helfen. Der Brügger Befehlshaber war aber wohl ein ziemlicher Idiot. Jan Breydel und Kumpels lösten das Problem dann auf ihre Art. Sie drangen wie die Meuchelmörder frühmorgens in die Wohnstätten der Franzosen ein und killten sie alle im Schlaf. Aber nur fast alle, der Idiot konnte nämlich entkommen. Auch wenn die Mittel nicht die Feinsten waren, Jan Breydel ist heute noch Brügger Volksheld und Idol.











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