Kreta den Griechen
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- 27. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Nov.
Fakten
*internationaler Indikator des Fußballniveaus vergleichbar mit anderen Ligen
** Anzahl Spiele im laufenden Jahr / Anzahl Spiele insgesamt
Vorspiel
Zwei Wochen Chania/Kreta heißt zwei Grounds besuchen. Nach einem 4. Liga-Spiel in der Nähe von Chania (vgl. https://www.cookiehoppt.com/post/ground-vor-dem-olivenhain), ging es heute zu einem Spiel der 3. griechischen Liga, nach Mournies. Dort trägt inzwischen der APS Granitas Agias Marinas seine Heimspiele aus. Wobei der Club seine Stadien wechselt, wie andere ihre Unterhosen. Der Club erlebt gerade die glorreichste Zeit der seit 1951 dauernden Vereinsgeschichte. Er spielt erstmalig gegen Clubs von außerhalb der Insel. In der Aufstiegssaison war die Unberechenbarkeit ihre Stärke, was 17 verschiedene Torschützen unterstreichen.
Sie spielen aktuell in Mournies, einer eigentlich (dazu komme ich noch) unspektakulären Kleinstadt 4 Kilometer südlich von Chania, der zweitgrößten Metropole Kretas. Der 7 Tsd.-Seelenort gefällt durch eine üppige Platanenbepflanzug. Seinen Namen jedoch verdankt er einer anderen Baumart, die hier ebenfalls prächtig gedeiht, den Maulbeerbäumen (Mournies). Und zwar deshalb, weil Platanias schon besetzt vom Platanias FC war, siehe Bericht vorige Woche.
Und sei das nicht schon genug mit den ganzen Pflanzen hier, gibt es einen solchen Bezug auch beim heutigen Kontrahenten, dem Atsalenios FC. Na gut, der Vereinsname kommt von "azali", was Stahl bedeutet. Man nennt sie also die Stählernen. Aber die Grün-Weißen Vereinsfarben finden sich im Logo wieder, einem Weinblatt. Der Grund dafür ist, dass es hier eben sehr ländlich ist und es Weinanbau gibt. Der Verein wurde in den 50er Jahren von Flüchtlingen aus dem türkischen Anatolien gegründet. Im Gegensatz zur Heimelf ist der Club eine feste Größe in der griechischen 3. Liga. Er glänzt durch eine hervorragende Jugendarbeit und gilt als Kaderschmiede für den Erstligisten OFI Kreta. Nach denen ist er auch die zweitbeste Mannschaft der Insel und von Heraklion, denn dort spielt der Atsalenios FC. Und er ist auch wieder mal im Aufstiegsrennen dabei, als aktueller 4.
Die dritte griechische Liga ist in 6 Staffeln unterteilt. Von den 12 Mannschaften der Staffel 6 spielen 8 im Raum Athen, 1 in Mykonos und 3 auf Kreta. Und zwei davon sehen wir uns heute an.
Ground
Wir versuchen hier möglichst viel mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln zu machen. Und es fand sich auch eine gute Verbindung zum Ground in Mournies. Allerdings fuhr der Bus nur alle zwei Stunden und so kamen wir erst 15 Minuten vor Spielbeginn an. Schnell auf die andere Straßenseite und dann standen wir auch schon vor der Betonwand der Rückseite der Tribüne. Der Putz blätterte schon ordentlich ab. Ein kleiner Kassierertisch am Eingang hatte eher feines Bezirksligaflair. Wir latteten je 10 € für unsere Tickets ab. Da wir ordentlich Brand hatten, ging es erstmal in den Kiosk rechts vom Eingang und wir versorgten uns mit Getränken. Dann ein paar Stufen hoch und der zweite griechische Ground, das Dimotiko Gipedo Mournion, lag uns zu Füßen. Das Prunkstück liegt gleich linkerhand: Die überdachte Grün-Weiß-bestückte Tribüne. Sie bietet für rund 800 Zuschauer Platz. Dass es ein Kunstrasenplatz ist, daran muss man sich hier wohl gewöhnen. Ich verstehe es sogar bei diesen klimatischen Bedingungen. An den anderen drei Seiten war kein Platz für Zuschauer. Nur hohe Werbebanden hinter den Toren und die Funktionsräume gegenüber. Außerdem war da noch ein Kleinfeldplatz, sogar mit einer Tribüne für 10 Personen. Links erfreute uns eine Palme a la LA. Gerade aus konnte man bis zum Hafen blicken. Und hinterm Tor rechts lag die griechische Bergwelt. Ist das nicht herrlich?
Ach so, eine Anzeigetafel, Stadiondurchsagen oder Einpeitschermucke gabs hier nicht.
Der Rückweg gestaltete sich abenteuerlich. Denn es kam und kam kein Bus. Im Netz konnten wir keine Abfahrtszeiten finden und in der Taverne dort wusste keiner was. Nach 30 Minuten Wartezeit bat ich die Bedienung, uns ein Taxi zu bestellen. Es kam auch schnell ein Auto, was uns in den Ort fuhr. War wohl eher kein Taxi, dafür mit 10 € aber schön billig.
Spiel
Wir drückten natürlich der Heimelf kräftig die Daumen. Erstens weil es bei unserem schönen Urlaubsort lag und zweitens, weil es nach 5 Klatschen in den ersten 5 Spielen der klare Außenseiter war. Schnell wurde uns allerdings klar, dass die Stählernen durchtrainierter wirkten. Sie scheinen ein anderes Trainingspensum zu haben als die Maulbeeren. Unser Liebling war die Nummer 2. Ein Koloss von Kerl mit Stiernacken und Rugby-Spieler-Figur. Er ließ die Gegner nur so von sich abprallen. Eine Freude ihm zuzusehen. Seine Pumpe reichte so für rund 30 Minuten, dann beschränkte er sich auf Bewegungen im 10-Meter-Radius. Aber auch einige seiner Mitspieler pumpten ziemlich bald und hockten teilweise, weil das Stehen zu anstrengend war. Vielleicht ist die 3. Liga doch etwas zu hoch für APS Granitas Agias Marinas. Der Kontrahent war da schon austrainierter und auch technisch und taktisch versierter. Zur Halbzeit stand es aber nur 0:1 und danach probierte der Außenseiter mit seinen bescheidenen Mitteln noch mal alles. Als aber schnell das 0:2 und 0:3 fiel, war der Drops endgültig gelutscht. Die Hoffnung auf eine Sensation hatte ein jähes Ende gefunden.
Also mit der deutschen 3. Liga lässt sich die Gamma Ethniki nicht im Entferntesten vergleichen. Aber das war nun auch nicht so überraschend.
Stimmung
Die rechte Seite der Tribüne war ordentlich gefüllt. Ich schätze mit rund 400 Anhängern des Aufsteigers. Hinter der Sprecherkabine waren rund 40-50 Stählernen-Fans zu erblicken. Gesänge gabs nicht. Auch keine Trommeln oder so. Fahnen ebenfalls nicht. Das finde ich schon etwas außergewöhnlich für die Klasse. Ein kurzes Jubeln der Gäste nach den Toren war jeweils recht verhalten. Die Heimfans waren aber extrem emotional bei der Sache. Es wurde jede der wenigen guten Szenen vehement bejubelt. Und den Spielern wurde permanent Mut zu gesprochen. "Bravo" war das am meisten gebrüllte Wort des Tages. Nur nach dem 0:3 kehrte absolute Stille ein. Die Zuschauer waren ebenso gefrustet wie die Spieler über die nicht mehr vermeidbare 6. Niederlage im 6. Spiel in der neuen Klasse.
Fazit
Ich habe ja schon angedeutet, dass da noch was Spektakuläres kommen wird. In Mournies wurde nämlich am 23. August 1864 kein Geringerer als Elefthérios Venizélos geboren. Und er lebte auch viele Jahre dort. Ihr kennt ihn nicht? Mir ging es ebenfalls so. Sollte es aber eigentlich als Numismatiker nicht. Denn der Bengel ziert das 50 ct-Stück Griechenlands. Und der Athener Flughafen wurde ebenfalls nach ihm benannt. Und last but not least ziert auch sein Denkmal das Portal der griechischen Botschaft in Washington. Solche Ehren bekommst du nicht einfach mal so. Der Staatsmann hat nämlich maßgeblich dafür gesorgt, dass die größte griechische Insel Kreta 1913 endgültig griechisch wurde. Mehr als 200 Jahre gehörte Kreta zum osmanischen Reich (davor war es venezianische Kolonie). Es war eine blutige Zeit der Aufstände und des Widerstands der Kreter dagegen. Venizélos gehörte im Türkisch-Griechischen Krieg zu den bedeutsamsten Anführern Griechenlands zur Befreiung Kretas vom Joch der Türken. Später war auch als Staatsmann sehr erfolgreich, um das griechische Territorium, so wie es heute ist, zu sichern.
Ihm ist es somit zu verdanken, dass mein 11. Länderpunkt Griechenland und nicht Türkei heißt.
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