Unsportliche Simulanten
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- 10. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Sept.
Fakten
*internationaler Indikator des Fußballniveaus vergleichbar mit anderen Ligen
** Anzahl Spiele im laufenden Jahr / Anzahl Spiele insgesamt
Vorspiel
Eigentlich sollte es heute nach Gitter gehen, zum Saisonauftakt der Bezirksliga Braunschweig 3. Aber daraus wurde nichts, denn sie spielten gar nicht in Gitter, sondern in Salzgitter-Bad. Gitter heißt korrekt Salzgitter-Gitter aber wie doof hört sich das denn an? Und der Blick auf Google Maps erfreute mich dann heute erstmals. Denn der knapp 800 Einwohner große Stadtteil (einer von 31) wirkt dort wie das kleine Zipfelchen, genannt Appendix vermiformis von großem Bruder Salzgitter-Bad. Den Appendix vermiformis kennen wir besser als Wurmfortsatz des Blinddarmes. Genug der medizinischen Aufklärung.
Der Kick versprach nicht nur Sport, sondern auch Spaß. Denn heute sollte das äußerst beliebte jährliche Vereinsfest stattfinden. Der Trainer drückte aber mit dem Spruch "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" vorerst auf die Spaßbremse. Aber so klein das Örtchen Gitter auch ist, fußballerisch ist es ganz groß. Es pendelt seit Längerem zwischen Landesliga und Bezirksliga und wurde letzte Saison sauberer fünfter.
Auch für Ilsetal hat Google Maps eine Überraschung parat. Denn es gibt keinen Ort dieses Namens. Ein zweites Bielefeld? Mitnichten, denn der FC Ilsetal ist ein Zusammenschluss aus den Clubs aus Achim, Börßum und Hornburg. Aus der vorherigen Spielgemeinschaft musste ein eigener Verein werden, damit man 2024 in die Bezirksliga aufsteigen durfte. Dann brauchte sie nur noch einen Namen und da das Flüsschen Ilse vom Harz aus durch deren Gebiet in die Oker fließt, nahmen sie FC Ilsetal. Man absolvierte die Debütsaison bravourös und hielt die Klasse. Danach musste ich heute ein weiteres mal grinsen. Kennt ihr den Kinder-Abzählreim "Ilse Bilse, keiner will'se, kam der Koch und nahm se doch"? Damit wurde ich in meiner Kindheit bei der Nennung meines Nachnamens "Koch" nicht nur einmal geneckt (selbst mein Vater übrigens auch schon). Hat aber nicht geklappt, meine Frau heißt Uschi. Es hat sich hoffentlich wer anders für die Ilse geopfert.
Ground
Dieser Ground ist ein kleines Schmuckstück. Seit 1978 kicken die Gitteraner im Stadion Osterfeld. Die große Nähe zum Wurmfortsatz sichert den Bezug zu Gitter. Bei der notorischen Geldknappheit eigentlich fast aller Amateurvereine wirkt es hier wie im Märchenland. Die Anlage wird laufend umgebaut und modernisiert. Sie hat:
einen Rasenplatz
einen Kunstrasenplatz
einen Jugendfußballplatz
eine Trainingsfläche
eine lichstarke und moderne Flutlichtanlage
eine automatisierte, brunnengespeiste Bewässerungsanlage
einen Beachvolleyplatz
ein Kinderspielplatz unter einer alten Eiche
eine Boulderanlage
Darüber hinaus noch ein schickes großzügiges Vereinsheim mit Balkon und Terrasse.
Dass der Rasen picobello gepflegt ist, versteht sich fast von selbst. Oberbürgermeister, Frank Klingebiel, ist Vereinsmitglied und seit langer Zeit unter anderem Kicker der "Ü 40“. Irgendwie wünscht man doch jedem Verein einen Oberbürgermeister …
Spiel
Nach der Vorsaison müsste der SC Gitter der Favorit sein. Aber: Was hat der FC Ilsetal für eine Vorbereitung hingelegt? 7 Spiele - 7 Siege! Und fast noch vorige Woche den renommierten Landesligisten, Freie Turner Braunschweig aus dem Pokal gekegelt (erst im Elferschießen unterlegen).
Das Spiel bei herrlichem Wetter und bester Zuschauerlaune ging gut los. Beide Mannschaften zeigten, dass man in der für Malocherfußball bekannten Arbeiterstadt Salzgitter auch die gepflegte Klinge beherrscht. Etwas viele Abspielfehler sind der fehlenden Spielpraxis zu diesem Saisonzeitpinkt gezollt und noch normal. Zur Halbzeit führte der Gastgeber ein wenig glücklich mit 1:0. Ich dachte, dass Ilsetal druckvoll aus der Kabine kommen würde. War aber nicht so. Der SC Gitter drängte stattdessen auf den zweiten Treffer. Als ein Gästespieler einen Gitteraner tolpatschig umstieß, gabs Elfer und es hieß 2:0. Kurz danach 3:0 und dann ließ sich der FC hängen und passend zur Party bügelte die Heimelf den Gast aber mal so richtig ab. 6:0, da meldet jemand offensichtlich wieder Ansprüche an!
Stimmung
Der Saisonauftakt, das Wetter und das Fest lockten rund 160 Zuschauer an. Und diese kamen ja voll und ganz auf ihre Kosten. 10–20 Gästefans konnte ich davon auch ausmachen. Der Verein hat sich große Mühe gegeben. Es gab nette Speisen, auch wenn es für Veggies mal wieder nur Pommes gab. Eine Menge verschiedener gekühlter Getränke, inkl. preiswerter Cocktails, erfrischten die durstigen Kehlen. Gute Mucke gab's ebenfalls. Etwas doof und überflüssig fand ich die Getränkekarten, die man sich kaufen und dann den Rest wieder auszahlen musste. Das Prinzip "Pils gegen Schotter" sollte wieder gelten!
Eine Fanszene im eigentlichen Sinne mit Tröten und Fahnen gibt es hier nicht. Zarte "SC Gitter"-Rufe vor dem Spiel waren dann auch schon alles an Stimmung. Außer dem bei 130 Personen üblichen Geraune und Gestöhne.
Fazit
Nach so viel Positivem muss ich leider auch etwas sehr Unschönes berichten. Die Headline "Unsportliche Simulanten" weist bereits daraufhin. Es gibt ja schon seit jeher den Begriff der "Sportlichkeit". Dieser Begriff symbolisiert Tugenden, wie Fairness, Aufrichtigkeit, ein gutes Miteinander, Respekt dem Gegner gegenüber und so weiter. Was heute von an Unsportlichkeit gezeigt wurde, macht mich traurig und wütend. Nicht alle aber etliche Kicker beider Mannschaften schrien nach vermeintlichen oder echten Fouls herum, dass man denken musste, sie hätten ein gebrochenes Bein oder eine ähnlich schlimme Verletzung. Sie hämmerten mit den Händen wie wahnsinnig auf den Rasen und zappelten spastisch herum. Kurz danach standen sie immer wieder und waren fit wie ein Turnschuh, denn es gab kein einziges Mal eine größere Verletzung. Dann wurde der Schiri natürlich noch wütend angeschrien, dass dieser doch wohl die rote Karte zu zeigen hätte. Im Laufe des Spieles ließen sich die Zuschauer, hier insbesondere die paar Ilsetaler, die neben mir standen, anstecken und pöbelten ebenfalls den Mann in Schwarz an. Schiedsrichter, Till Reese bot eine einwandfreie Leistung und blieb sehr gelassen. Das wäre mir nicht gelungen. Nur gegen Ende, als ein eingewechselter Spieler auch gleich nach ein paar Minuten den Schiri anpflaumte, brüllte dieser ihn zurück an "Sie sind gerade erst im Spiel und schreien auch gleich herum. Hören Sie sofort damit auf!"
Da haben wohl einige nicht gelernt, was das Schöne am Sport ist, nämlich gerade auch die Sportlichkeit. Sehr schade!
Falls die Trainer (Eduard Spissak und Bilat Kötüz) den Artikel lesen, wende ich mich hier nachdrücklich an sie. Bitte trainiert nicht nur das Spielen, sondern auch das Verhalten eurer Jungs. Danke!
Fotos












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