Wo sich Rhein und Mosel küssen
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- 5. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Aug.
Fakten
*internationaler Indikator des Fußballniveaus vergleichbar mit anderen Ligen
** Anzahl Spiele im laufenden Jahr / Anzahl Spiele insgesamt
Vorspiel
Wir haben einen ganz langen Anlauf für das Eintracht-Braunschweig-Spiel in Elversberg genommen und sind schon eine Woche vorab angereist, um Urlaub an Rhein (St.Goar) und Mosel (Kröv) zu machen. Da musste natürlich vorab schon mal ein neuer Ground fallen. Das hochklassigste Spiel in der Nähe fand in Koblenz statt. Also hin. Koblenz, die Stadt, in der sich der Gevatter Rhein mit der Mutter Mosel küssen, steckt voller Geschichte. Der Punkt der Knutscherei ist unter dem Namen Deutsches Eck sehr bekannt. Das so berühmte und monströse Kaiser-Wilhelm-Denkmal stand fest, bis es die Amis 1945 kaputtbombten. Dann wehte dafür die Deutschlandfahne, bis es 1993 wieder aufgerichtet wurde.
Die berühmteste Person Koblenz' ist Rudi Gutendorf, alias Rudi Rastlos. Dieses Unikum trainierte Dutzende von Mannschaften in sage und schreibe 18 Ländern auf vielen Kontinenten und ist damit unangefochtener Weltrekordler!
Idar-Oberstein kann so viel nicht dagegenhalten. Aber ich muss da unbedingt mal hin, denn es dreht sich hier alles um Edelsteine. Und für mich als bekennenden Schmuckliebhaber (dafür beneiden viele Damen meine Uschi natürlich sehr <3) ist das ein absolutes Paradies.
Bekanntermaßen gibt es in dieser Region zwischen den Vereinen erbitterte Fußball-Feindschaften. Die TuS Koblenz (Turn- und Spielvereinigung Koblenz 1911 e.V.) pflegt die innigsten Feindschaften mit Eintracht Trier, dem 1. FC Saarbrücken und dem 1. FC Kaiserslautern. Am schlimmsten ist es aber mit dem TuS Mayen, nur leider gab es gegen die schon ewig kein Spiel mehr.
Ground
Wir düsten morgens von St. Goar ca. 30 Minuten nach Koblenz, um da erstmal zu frühstücken. Dann ab zum Stadion Oberwerth. Es wirkt erstmal total sonderbar, wenn du da ankommst, da der Parkplatz unter einem Gewirr an Schnellstraßenbrücken liegt. Als Erstes siehst du dann die Mehrzweckhalle „Sporthalle Oberwerth" für ca. 5.000 Zuschauer. Von weitem erblickst du dann linker Hand die Flutlichtmasten. Wir marschierten am Jahnplatz (Kunstrasen) entlang, wo gerade die A‑Jugend des TuS Koblenz kickte. Das Stadion Oberwerth ist ein Leichtathletikstadion und hat schon bessere Zeiten erlebt. Bereits 1935 wurde es unter dem Namen „Hermann-Göring-Kampfbahn“ eröffnet. Nun, das meine ich nicht mit „besseren Zeiten", sondern eher die Kapazität, denn die betrug damals sage und schreibe 40.000 Zuschauer. Heute sind es rund 10.000 und davon ca. 2.000 Sitzplätze. Die Haupttribüne ist überdacht und hat nostalgisch wirkende Holzbänke. Die Gegentribüne ist offen und hat blaue Plastikschüsseln. Die Südtribüne wurde nach dem Abstieg aus der 2. Liga abgetragen. Die 13 000 qm große Anlage hat hammermäßige 9 Plätze! Genutzt wird die Anlage unter anderem von zwei Fußballvereinen (TuS Koblenz und Rot-Weiß Koblenz) und somit zig Mannschaften. In der Vergangenheit zu Zeiten der Oberliga auch von Cosmos Koblenz Es herrscht also an sieben Tagen der Woche ein reges Treiben dort. Ein echtes Kuriosum gibt es hier auch noch. Und zwar steht hinter der Gegentribüne eine Kapelle. Diese stammt noch aus der Zeit, bevor das Stadion gebaut wurde. Sie macht das Stadionbild ungewöhnlich und markant!
Ein Leser schrieb mir folgende geile Anekdote:
Der Zuschauerrekord stammt aus den 50 ziger Jahren. Natürlich gegen den FCK. 36.000 Karten waren verkauft. Danach schlossen die Kassen. Die Menschen vor Ort wollten aber noch rein und kletterten über die Zäune. Das würde dann auch Montags in der RZ erwähnt. "Zuschauer zerstörten Hühnerstall vom Stadionwart." war da zu lesen.
Spiel
Für die TuS Koblenz ging es als Tabellen-Viertem nur noch um die Goldene Ananas. Dagegen steht der Gast vom SC Idar-Oberstein nur einen Platz über dem Strich. Da erhofft man sich dann ja immer, dass die eigentlich bessere Mannschaft nicht mehr volle Lotte gibt. Nun ja, das war wohl ein Satz mit X. Das Spiel hat viel geboten, nur eines nicht, Spannung. Deshalb die Fakten im Stakkato: Koblenz war das gesamte Spiel überlegen, und zwar in allen Belangen. Der Gast war mit dem 5:1 noch gut bedient. Es fielen drei Elfmeter und alle gingen rein. Das 4:1 war ein Traumtor ins lange Eck. Das 5:1 erzielte der Langzeitverletzte Marco Müller drei Minuten nach seiner umjubelten Einwechslung. Und dann gab es noch zwei rote Karten. Solch eine Kuriosität habe ich in meiner langen Fanlaufbahn noch nicht erlebt. Warum auch immer kam es kurz vor der Halbzeit zu tumultartigen Szenen. Daran waren alle Spieler und viele des Stuffs beteiligt. Minutenlang gab es ein wildes Geschubse und Gekloppe. Natürlich war es vollkommen unmöglich für die Schiris, die Täter zu identifizieren. Sollten etwa alle Spieler vom Platz gestellt werden? Wir waren total gespannt, wie er das lösen würde. Erstmal schickte er beide Teams in ihre Hälfte, um sie mit seinen Linienrichtern zu beraten. Dann rief er die Kapitäne zu sich und warf einfach beide stellvertretend vom Platz. Coole Lösung!
Stimmung
Es waren 1.018 Besucher da. Und das bei einem Spiel, wo es für die Heimelf um nichts mehr ging. Im Gegenteil, es herrschte eher Frust, da es wieder nichts mit dem Aufstieg wird. Fans des Gastes konnte ich weder erblicken noch hören. Sehr angetan war ich von den 50–100 Ultras, die eine fantastische Stimmung machten. Alle waren mit Trikots und Schals ausgestattet und viele hatten Fahnen mit, und sie machten ordentlich Rabatz. Aber auch die anderen waren häufig in Schwarz-Blau-Gelb. Von der Haupttribüne wurde mehrfach ein rhythmisches Klatschen angestimmt. Gesänge gab es fast durchgängig. Zum Beispiel vernahmen wir den Schlachtruf „Kühe – Schweine – Dorfvereine". Populär ist auch der Song:
„Jedes Spiel ein neuer Scheißverein
Aber Blau und Schwarz kriegt niemand klein
Wir geben alles auch in diesem Jahr
Und zieh'n gemeinsam durch die Oberliga.“
Insgesamt sehr beeindruckend, was hier abgeht!
Fazit
Zum Abschluss noch etwas Fortbildung für die Auswärtigen. Hier werden viele mit „Schängel“ bezeichnet, so zum Beispiel auch die Spieler des TuS Koblenz. Was hat es damit auf sich? Ende des 18. Jahrhunderts gehörte diese Region für rund 20 Jahre zu Frankreich. Die Franzosen labten sich an den feisten Rheinländerinnen. So kam es, wie es kommen musste: Viele kleine Deutsch-Franzosen wurden gezeugt. Der beliebteste deutsche Jungenname war damals Hans, auf Französisch Jean. Nun lass mal eine echte Rheinländerin den Namen Jean aussprechen. Genau! Über „Schang“ wurden die Kleinen dann zu „Schäng“ und „Schängel“. Was anfangs noch viele Jahre als Beleidigung galt, etwa wie „Bastard“, wurde im Laufe der Jahrhunderte zu einem absoluten Privileg. Jeder in Koblenz Geborene darf sich heute „Schängel“ nennen und sich dadurch von den Zugezogenen abheben.
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